Hans Christoph Buch LITERATUR IN ZEITEN DES DROGENKRIEGS Bogotá. Es gibt zwei neue Wörter in Kolumbien: Narcoterrorismo und Bactrim. Letzteres ist die Abkürzung für bandascriminales, kriminelle Banden, die früher Paramilitärs, noch früher Todesschwadronen hießen. Was Narcoterrorismo ist, wurde schlagartig klar, als am 1. Februar vor der Polizeistation von Tumaco ein Obstkarren explodierte und drei Polizisten sowie sechs Passanten in den Tod riss. Am Tag darauf detonierte eine Bombe in Villarica, wo vier Polizisten und drei Zivilisten starben. Bilanz der Anschlagsserie: 15 Tote und 110 Verletzte aus angrenzenden Armenvierteln, unter ihnen Frauen und Kinder. Die Rebellenarmee FARC (bewaffnete Revolutionsstreitkräfte), die seit einem halben Jahrhundert mit Waffengewalt wechselnde Regierungen bekämpft, lehnte die Verantwortung für das Attentat ab. Doch nach Ansicht von Experten deutet die Machart der Bomben auf die Urheberschaft der FARC, die sich routinemäßig von ihren eigenen Untaten distanziert und gleichzeitig mit Drogengangstern kooperiert. Politische und/oder kriminelle Gewalt hat hierzulande eine unselige Tradition, die weiter zurückreicht als die durch die Ermordung des Präsidentschaftskandidaten Gaitán ausgelöste Violencia der zweiten Jahrhunderthälfte. Kolumbien war immer schon ein gewalttätiges Land, wo Ureinwohner und Konquistadoren, Liberale und Konservative, Großgrundbesitzer und Bauern einander massakrierten. Die erwähnten Bombenattentate wären kaum der Rede wert, hätte die durch Militärschläge geschwächte FARC nicht kurz zuvor die Freilassung entführter Soldaten und Polizisten angekündigt, die sich wie Ingrid Betancourt seit Jahren in Geiselhaft befinden - schöne Worte, auf die keine Taten folgten, obwohl oder weil sie die Richtigkeit der Doppelstrategie von Kolumbiens Regierung bestätigten. Einerseits die vom früheren Staatschef Uribe begonnene Armeeoffensive, die die politisch isolierte Guerilla in die Enge trieb und ihrer Führung beraubte; andererseits bleibt die Hand des neuen Präsidenten Santos zu Friedensgesprächen ausgestreckt, nachdem er sich mit Uribes Erzfeind Chávez öffentlich ausgesöhnt hat. Dazu muss man wissen, dass viele Länder Mittel- und Südamerikas mit ihren Nachbarn zerstritten sind: Nach einer Kommandoaktion jenseits der Grenze zu Ecuador, wo Kolumbiens Armee den FARC-Führer Raúl Reyes tötete, legte die Regierung in Quito die diplomatischen Beziehungen auf Eis und rief ihren Botschafter aus Bogotá ab. Wie verworren die Lage ist, zeigt der Fall des prominenten Friedensvermittlers Luis Carlos Restrepo, der im Auftrag des Präsidenten Uribe die Entwaffnung von FARC-Truppen ausgehandelt hatte und im Januar nach Washington floh, während die Ex-Geheimdienstchefin Maria Hurtado in Panama Asyl beantragte. Beide fühlen sich zu Unrecht verleumdet, denn die Gegner Uribes stellen heute dessen engste Mitarbeiter als Sündenböcke an den Pranger: Die 2006 erfolgte Demobilisierung von 63 FARC-Kämpfern, für die Restrepo Vorschußlorbeeren erntete, soll ein krimineller Betrug gewesen sein, bei dem Obdachlose in Guerillauniform gekleidet und mit Gewehren ausgerüstet wurden, die sie anschließend vor laufenden Kameras niederlegten. Dass Restrepo, im Zivilberuf Psychiater, in gutem Glauben handelte, ist ebenso denkbar wie die Möglichkeit, dass das Militär die Entwaffnung manipuliert hat, um die Kampfmoral der Partisanen zu schwächen – ganz zu schweigen von Kolumbiens an Erfolgsmeldungen interessierter Regierung. Ein Resultat der angeblich geglückten Armeeoffensive, nach der Befreiung Ingrid Betancourts vorschnell als Friedenssignal gefeiert, war der kürzlich vereinbarte Pakt von Südamerikas dienstältester Guerillatruppe FARC mit der rivalisierenden ELN (nationale Befreiungsarmee), die vor allem durch Sprengen von
Ölpipelines von sich reden macht. Die Zusammenarbeit mit Drogenhändlern und Paramilitärs gehört zur Strategie des Partisanenkampfs, so wie die Zwangsrekrutierung Jugendlicher und die Entführung Unbeteiligter, um mit dem Lösegeld die Kriegskasse aufzufüllen. „Früher habe ich an die romantische Aura der Revolution geglaubt“, sagt Liduine Zumpolle, eine in Bogotá lebende Friedensaktivistin aus Holland, während sie Pfeile in ihren Notizblock malt. Sie hat ein Buch über TanjalaGuerillera publiziert – eine holländische Studentin, die freiwillig der FARC beitrat und in ihrem von der Armee aufgefundenen Tagebuch Kritik am Sexismus und Militarismus der Desperado-Truppe übt. Von der Revolutionsromantik sei nichts übrig geblieben als menschenverachtende Brutalität, meint Liduine Zumpolle: Die Mentalität der Guerilla sei genauso faschistisch wie die der Paramilitärs. So hätten FARC-Kämpfer zwei sechzehnjährige Mädchen an Bäume gefesselt und erschossen, weil sie nach Hause zurückwollten: Disziplinlosigkeit werde mit dem Tode bestraft. „Und woher kommt die Tradition der Gewalt?“ – „Der Hinweis auf Kolumbiens Geographie mit ihren Klimazonen, Urwäldern und Gebirgen genügt als Erklärungsmuster nicht, denn die Gewalt war seit jeher präsent und hat Kolumbiens Geschichte geprägt. Heute denke ich, dass es am Nationalcharakter liegt, am aggressiven Machismo, der hierzulande ungebrochen ist. Siehe den in Spanien verbotenen Stierkampf oder das Verkehrchaos von Bogotá, wo wie im Dschungel das Recht des Stärkeren herrscht.“ Kolumbien ist nicht nur ein Kessel unkontrollierter Gewalt, der unter Überdruck zu zerbersten droht. Es ist – so absurd das klingt – ein Kulturland, dem Bogotá seinen Ruf verdankt, ein zweites Athen zu sein. Es genügt, die Namen Garcia Márquez und Fernando Botero zu nennen - das von dem Maler gestiftete Museum ist in Lateinamerika so konkurrenzlos wie die von Garcia Márquez gesponserte FundaciónNuevoPeriodismo in Cartagena, wo sich jedes Jahr die Stars der internationalen Literaturszene zum Hay Festival versammeln. Dass der Autor von HundertJahreEinsamkeit heute an Alzheimer leidet, steht auf einem anderen Blatt. Ehrengast des Festivals war der amerikanische Romancier Jonathan Franzen, dessen epische Wälzer auch kolumbianische Leser begeistern, aber interessanter als Franzens Eingeständnis, wenn er nicht am Schreibtisch sitzt, sei er nur ein Schatten seiner selbst, war das, was Sergio Ramirez zu Protokoll gab. Der Schriftsteller aus Nicaragua, einst Vizepräsident der Revolutionsregierung, distanzierte sich vehement von seinem früheren Mitstreiter Daniel Ortega, dem er Verrat an den Idealen der Sandinisten vorwarf, und nutzte die Gelegenheit, Kolumbiens Staatschef, der mit ihm auf dem Podium saß, ins Gewissen zu reden: Der Drogenkrieg sei ein Krebsgeschwür, das Südamerika vom Rio Grande bis Feuerland zu zerfressen drohe, aber die zu seiner Bekämpfung gewählte Strategie sei kontraproduktiv und habe das Wuchern des Geschwürs beschleunigt und verstärkt. Ramirez plädierte für die Freigabe illegaler Drogen, um der mit Anbau und Vertrieb verbundenen Kriminalität den Boden zu entziehen – keine neue oder besonders originelle Idee, doch zur Überraschung aller stimmte Präsident Santos ihm zu. Die Probe aufs Exempel ist am Amazonas zu besichtigen, in Leticia an der Grenze Kolumbiens zu Brasilien und Peru, das die Stadt vorübergehend besetzte - von daher ihr Name. Um diese Jahreszeit steht der Urwald unter Wasser, aus dem nur Baumwipfel ragen, auf einer Fläche von der Größe der Bundesrepublik, und die Fortbewegung per Boot ist äußerst beschwerlich. Statt von FARC-Kämpfern wimmelt es von Piranhas, Kaimanen und Anacondas, die Hunde und Kinder fressen – ganz zu schweigen von Giftschlangen, Moskitos und drückender Hitze, die sich in Tropengewittern entlädt. Vom Pfahlbau bis zum Hausboot ist hier alles aus Holz, das scheinbar unbegrenzt zur Verfügung steht. Auf dem Javari, einem
Nebenarm des Amazonas, sind Flößer unterwegs, die illegal geschlagene Urwaldbäume nach Iquitos schaffen. Sogar im Naturschutzgebiet sind Motorsägen zu hören, und wertvolles Tropenholz verrottet auf Waldlichtungen, weil die madereros genannten Holzfäller nur die kostbarsten Stämme mitnehmen. Wie einst der Walfang und die Büffeljagd zerstört der Raubbau die Artenvielfalt, von der die Ureinwohner leben, und zur Abwehr grenzüberschreitender Holzdiebe sind die Indios mit Gewehren bewaffnet. Motorsäge und Bootsmotor haben ihnen mehr Schaden als Nutzen gebracht, und die ungehemmte Ausplünderung der Ressourcen zeigt, dass und wie der Mensch Regenwälder in Wüsten verwandelt und - auch ohne Drogenkrieg - seine Existenzgrundlage untergräbt. Hans Christoph Buch lebt in Berlin. Zuletzt erschien: „Haiti – Nachruf auf einen gescheiterten Staat“ bei Wagenbach und der Roman „Apokalypse Afrika“ in Eichborns Anderer Bibliothek.
Merkblatt U Amt für Umwelt Feuern im Freien (Abfallverbrennen im Freien) Dieses Merkblatt richtet sich an Architekturbüros, Bauherrschaften, Bauunternehmen, Handwerker, Einwohnerge- meinden, Bau-, Umweltschutzkommissionen, Bürgerinnen und Bürger. Worum geht es? Mit steigenden Entsorgungskosten wächst die Versuchung, Abfall illegal zu entsorgen. Das Verbrennen von