"Sind Weiße klüger als Schwarze?" Claus-Peter Sesín - GEO 8/1996 S. 1
Der rassistische Streit um den Intelligenzquotienten in den USA von Claus-Peter Sesín erschienen in: GEO (Ausgabe 8/1996, S. 46 ff.) (Aktualisierungen am Ende dieses Textes) Wir sind in seinem Büro verabredet. Aber ich treffe Michael Levin schon auf dem Hof - als hätte er mich dort erwartet. Sein Zimmer im City Col ege ist schwer zu finden. Die Tür trägt kein Namensschild; sie wurde neu gestrichen, nachdem Studenten Parolen und Hakenkreuze darauf gesprüht hatten. Levin lehrt an dem überwiegend von Schwarzen und Latinos besuchten Col ege im New Yorker Stadtteil Harlem Philosophie - und gefäl t sich als Provokateur. Für Aufregung sorgte ein Leserbrief von ihm, den die "New York Times" veröffentlicht hatte: Weiße Ladenbesitzer dürften Schwarzen den Zutritt verbieten, um sie am Diebstahl zu hindern. Und in einem Vortrag hat er empfohlen: "Weiße sol ten Schwarze wegen deren hoher Kriminalität meiden. Schwarz signalisiert Gefahr." Deshalb seien "gewisse Formen des Rassismus berechtigt". Zuhörer stürmten daraufhin das Podium; Levin floh durch die Hintertür. Der größte Tumult brach los, als Studenten Kopien eines Fachartikels verteilten, in dem Levin geschrieben hatte, Schwarze litten an angeborener Intel igenzschwäche. Die Thesen des streitbaren Professors - "Es stört mich nicht, wenn die Leute mich nicht mögen" - liegen im Trend. Immer offener wird in den USA gegen die Schwarzen zu Felde gezogen, um ihnen bestimmte, in den fünfziger und sechziger Jahren erkämpfte Rechte wieder streitig zu machen. 1994 forderten der Politologe Charles Murray und der (mittlerweile verstorbene) Harvard-Psychologe Richard Herrnstein in ihrem Bestsel er "The Bel Curve", Sozialhilfezahlungen an ledige Mütter einzustel en. Außerdem empfahlen sie, die "Affirmative Action" abzuschaffen, eine Quotenregelung, die vor al em den bislang unterrepräsentierten Schwarzen den Zugang zu Universitäten erleichtern und ihnen zu Jobs verhelfen sol . Begründung: Der durchschnittliche Intel igenz-Quotient (IQ) der Schwarzen liege 15 Punkte unter dem der Weißen - und das sei weithin genetisch bedingt. Levin, Murray und Herrnstein stehen mit ihrer Meinung nicht al ein. In ihrem Fahrwasser agiert eine medienbewusste Gruppe von Forschern, die sich gern wechselseitig zitieren - und al esamt (wie Levin auch) vom Pioneer Fund unterstützt werden, einer 1937 von dem Nazi-Sympathisanten Wickliffe Draper gegründeten Stiftung. Deren Programm fördert laut Satzung "Rassenverbesserung, speziel in den USA".
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Mit Zuschüssen in Höhe von mindestens 125.000 Dol ar ist Michael Levin ein eher kleiner Fisch. Das City Col ege wol te ihn nach den eingangs geschilderten Vorfäl en entlassen. Doch der Philosoph zog vor Gericht, berief sich auf die Freiheit der Wissenschaft - und gewann. In Turnschuhen und abgetragenem Hemd sitzt der 53-jährige in seinem winzigen Büro. Seit seine beiden Söhne auf eine teure Privatschule gehen, reicht es für ihn kaum zum Nötigsten: "New Yorks Eliteschulen erhalten nicht annähernd soviel Geld wie die Schulen für schwarze Kinder, die kaum buchstabieren können", klagt er. "Ein Irrsinn." Nun wil Levin "mehr Gerechtigkeit": "Mit welchem Recht sol jemand, der für seinen Lebensunterhalt und seine Familie hart arbeitet, gezwungen werden, andere zu unterstützen - am Ende noch die unehelichen Kinder irgendwelcher Leute? Das ist moralisch falsch. Wir dürfen den Schwarzen keine Sozialhilfe mehr zahlen." Levin und seinen Mitstreitern geht es um mehr als nur um Geld. Hinter der Forderung "Stop welfare" verbirgt sich der Wunsch nach einer neuen Eugenik: Amerikas Gen-Pool sol vom Erbmaterial der Schwarzen, Armen und Kriminel en "gesäubert" werden. Wie weit dieser Trend bereits geht, belegen kürzlich in Florida und Tennessee eingebrachte Gesetzentwürfe: Empfängerinnen von Sozialhilfe, die sich ein Langzeit-Verhütungsmittel einpflanzen lassen, sol en mit Sonderzahlungen belohnt werden. Männer, deren Einkommen an der Armutsgrenze liegt, sol en 500 Dol ar erhalten, wenn sie sich sterilisieren lassen. In Colorado winkt Strafgefangenen, laut Gesetzentwurf, nach erfolgter Sterilisation vorzeitige Haftentlassung. Seit die Republikaner bei den Kongresswahlen im November 1994 die Mehrheit im Abgeordnetenhaus und im Senat gewonnen haben, herrscht in Washington die "konservative Revolution". Über hundert Sozialprogramme sol en gekürzt oder gestrichen werden, um das riesige Haushaltsdefizit bis zum Jahr 2002 auszugleichen. Im September 1995 beschloss der damals von Bob Dole, dem Präsidentschaftsbewerber der Republikaner, geführte Senat, den automatischen Rechtsanspruch Bedürftiger auf Sozialhilfe abzuschaffen. Dies trifft vor al em Mil ionen ledige Mütter, von denen über die Hälfte Schwarze oder Latinas sind. Was sol aus ihnen und ihren Kindern werden? "Es ist doch nicht unsere Schuld", meint Levin, "wenn deren Kinder verhungern. Sol en doch die Väter die Kinder unterstützen. Ich bin nicht dafür verantwortlich. Ich habe die Mütter weder geschwängert noch zum Sex gezwungen." Erregt, mit verschränkten Armen, dreht sich der Gelehrte zum Fenster. "Stel en Sie sich vor, Sie kommen in ein Wohnzimmer, und da liegt eine stinkende Leiche auf der Couch", sagt Levin, jede Silbe auskostend. "Ringsherum sitzen die Leute und unterhalten sich, als wäre nichts geschehen. Jeder kennt das Problem, doch niemand sagt etwas." Leistungsschwäche und niedrige Intel igenz von Schwarzen seien nicht das Erbe von Sklaverei und Misshandlung. "Es liegt an den Genen", doziert der Philosoph, der gleichzeitig zugibt, seine genetischen Kenntnisse in einer Anfängervorlesung erworben zu haben. Seine Maxime: "Stop the guilt flow!" - Schluss mit dem Geldfluss aufgrund von Schuldgefühlen.
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Der Soziologe Robert Gordon von der Johns Hopkins University in Baltimore - mit mindestens 214.000 Dol ar vom Pioneer Fund gesponsert - denkt schon einen Schritt weiter: "Die abrupte Einstel ung der Sozialhilfezahlungen könnte eine Wel e unerwünschten Mitgefühls auslösen. Wenn die Schwarzen und ihre Kinder verhungerten, würden politische Kräfte in den USA, insbesondere die Medien, dieses Elend ausschlachten. Wir würden es jeden Abend im Fernsehen serviert bekommen, wie damals den Vietnamkrieg." Deshalb setzt Gordon auf forcierte Empfängnisverhütung: auf "Norplant" - eine in den Oberarm von Frauen implantierte Kapsel mit einem fünf Jahre lang wirkenden Kontrazeptivum. Tests in der Dritten Welt attestieren dem Präparat schwere Nebenwirkungen: Bei einigen Probandinnen blieb jahrelang die Regel aus, manche versuchten gar verzweifelt, sich die Kapsel herauszuschneiden. Gordon jedoch meint: "Die Behandlung wäre natürlich freiwil ig." Und die Wirkung phänomenal. Anders als Levin, der kein Blatt vor den Mund nimmt, begegnet mir Gordon mit einer Mischung aus Misstrauen und Neugier. Der korpulente 62-jährige Professor mit gestutztem Vol bart, schütterem weißen Haar und buschigen Brauen hat mit der Presse schlechte Erfahrungen gemacht. Journalisten hätten ihn belogen und vorgeführt. "Sie kommen meist von Universitäten, den Bastionen der 'political correctness', des politischen Wohlverhaltens, und maßen sich an, für die Al gemeinheit zu sprechen." Aber die von ihnen verbreitete Leitmeinung sei nicht repräsentativ. Mit monotoner Stimme trägt der Soziologe seine Thesen und Visionen vor, verschafft sich nur manchmal mit dröhnenden Lachgewittern Luft. Der Sozialhilfe-Stopp, prophezeit er, "löst viel eicht einen sozialen Kol aps aus, womöglich gehen die Rassen auseinander, wie sich in Israel die Juden und die Araber getrennt haben. Am Ende könnten sich die USA in zwei Nationen aufspalten, und in der einen würden nur noch Schwarze leben. Die müßten dann mit ihrer hohen Geburtenrate al ein fertig werden." Gordon war es auch, der 1986 auf die Idee kam, den Sozialhilfe-Gegner Charles Murray mit dem IQ-Spezialisten Richard Herrnstein zusammen zu bringen. Insofern darf er sich als geistiger Großvater der "Bel Curve" rühmen. Dieses 845-Seiten-Opus, die Bibel der akademischen Ethno-Rechten, ist maßgeschneidert für den "kleinen Rassisten von nebenan". Schon der Titel - auf Deutsch "Glockenkurve" -, eine Grafik, die für die bei IQ-Tests typische "Gaußsche Normalverteilung" der Ergebnisse steht, lässt ahnen: Hier sol mit Wissenschaftlichkeit Eindruck gemacht werden. Über hundert Diagramme und Tabel en, sieben Anhänge und über tausend Anmerkungen können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Werk wenig Neues und noch weniger Richtiges enthält. Das Hauptargument, dass Schwarze bei IQ-Tests im Schnitt um 15 Punkte schlechter abschneiden als Weiße, ist seit 1918 bekannt, als die U.S. Army erstmals den IQ von Rekruten testete. Noch älter ist die Behauptung, die Intel igenz-Defizite seien vor al em erblich bedingt. Doch Tatsache ist, dass bis heute kein Genetiker Gene für Intel igenz gefunden hat. Es sind in der Regel Psychologen, die mit - methodisch umstrittenen - Zwil ingsstudien eine Vererbungs-Determinanz nachzuweisen versuchen: Im Mittel liegt ihre Erblichkeitsschätzung bei knapp 50 Prozent. Dieser Schätzwert bezieht sich freilich nur
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auf den gemessenen IQ, das heißt, er beruht auf einer Messgröße, die selbst höchst umstritten ist. Murrays und Herrnsteins Kronzeuge in der "Bel Curve", der kalifornische Psychologe Arthur Jensen, baut seine Behauptung, Intel igenz sei zu 80 Prozent erblich, ebenfal s auf den Ergebnissen von Zwil ingsstudien auf - nicht zuletzt auf die des englischen Psychologen Cyril Burt, dessen Studien 1974 vom amerikanischen Psychologen Leon Kamin als Fälschung entlarvt wurden - einer der größten Wissenschaftsskandale des 20. Jahrhunderts. Zudem hat Jensen - vom Pioneer Fund mit mindestens 1,1 Mil ionen Dol ar gefördert - selber massiv Formeln und Fakten verfälscht, wie der US-Genetiker Jerry Hirsch nachgewiesen hat. Und Jensen war es auch, der 1969 forderte, den Schwarzen aufgrund ihrer IQ-Defizite die Sozialhilfe zu streichen und die "Affirmative Action" abzuschaffen. Mit über 400000 verkauften Exemplaren traf die "Bel Curve" offensichtlich den Nerv des Durchschnittsamerikaners. Murray - Forscher am einflussreichen American Enterprise Institute - hat sein populistisches Erfolgsrezept unfreiwil ig in einem Brief an einen potenziel en Verleger verraten: "Es gibt eine große Zahl wohlmeinender Weißer, die Angst haben, heimliche Rassisten zu sein. Dieses Buch wird ihnen klarmachen, dass sie es nicht sind." Anfangs widmen sich die Autoren nur der "weißen" Glockenkurve. An deren rechtem Rand residiere die mit hohem IQ beglückte "kognitive Elite", "die Sahne Amerikas". Am linken versinke die geistig minderbemittelte weiße Unterschicht - "white trash" ("weißer Abfal "), wie Murray sie im "Wal Street Journal" genannt hat - in Armut, Drogensucht und Kriminalität. Wo einer schließlich lande, bestimme im wesentlichen der IQ. Als Beweis liefern die Autoren Daten aus einer 1979 begonnenen Langzeituntersuchung an über 12000 US-Teenagern. Diese Untersuchung schließt auch einen IQ-Test ein und erfasst neben Sozialstatus und ethnischer Zugehörigkeit "soziales Wohlverhalten" - etwa Straftaten oder Zahl der unehelichen Kinder. Virtuos mit diesen Zahlen jonglierend, liefern die Autoren ein Paradebeispiel dafür, wie Statistik lügen kann. Denn sie verschweigen die Schwäche ihrer angeblich "signifikanten" Korrelationen. Tatsächlich gibt es im Mittel ihrer über 60 Teilstudien nur bei mageren acht Prozent der Untersuchten den behaupteten Zusammenhang zwischen IQ und "sozialem Wohlverhalten". Erst in der zweiten Buchhälfte wenden sich Murray und Herrnstein den Schwarzen zu, die wegen ihres angeblich niedrigen Durchschnitts-IQ "verdientermaßen" ganz unten stehen und besonders häufig soziale Probleme bereiten. Doch schon Murrays und Herrnsteins Voraussetzung, IQ-Testen sei eine objektive Wissenschaft, ist generel anzuzweifeln. Denn gleiche Probanden schneiden bei unterschiedlichen Tests unterschiedlich gut ab. Der an der amerikanischen Purdue University lehrende Statistiker Peter Schönemann fand sogar, dass schon "bei einem einzigen Datensatz, je nach Art der Auswertung, der ermittelte IQ um bis zu 30 Punkte vari eren kann". Nicht von der Hand zu weisen ist aber, dass Schwarze bei gleichen Tests meist weniger Punkte als Weiße erzielen. Als Ursachen galten bislang die oft miserablen Schulen in den Gettos sowie teilweise die Testfragen selbst, die durchweg auf das Wissen der weißen Bildungselite zugeschnitten sind. Inzwischen fand der schwarze Psychologe Claude
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Steele von der Stanford University einen weiteren Grund heraus: Schwarze geben sich bei Eignungstests besonders viel Mühe, um das "negative Stereotyp" ihrer Gruppe nicht zu bestätigen. Dies schaffe einen psychischen Druck, der negativ auf die Ergebnisse durchschlage. Zahlreiche Versuche haben diese These bestätigt: Steele legte einer Gruppe schwarzer und weißer Studenten einen Test vor und gab an, damit sol ten al gemeine psychologische Faktoren bei der Lösung verbaler Probleme untersucht werden. Beide Gruppen erreichten fast identische Punktzahlen. Als er den Test mit zwei weiteren Gruppen wiederholte, diesmal aber erklärte, es gehe darum, die individuel en sprachlichen Fähigkeiten der Testpersonen auszuloten, versagten die Schwarzen, während die Weißen fast gleich gut abschnitten. Die Weißen aber versagten ihrerseits bei einem Mathematik-Test, als Steele ihnen weismachte, Asiaten würden die Aufgaben gewöhnlich besser lösen. Das gewichtigste Argument gegen die Objektivität von IQ-Tests liefert der neuseeländische Psychologe James R. Flynn. Er hat entdeckt, dass der Durchschnitts-IQ in 14 Industrienationen seit Beginn der Tests kontinuierlich bessere Resultate ergeben hat, im Mittel drei IQ-Punkte mehr pro Jahrzehnt. So schnel können Gene sich nicht ändern. Von welch großem Einfluss indes Umweltbedingungen sind, zeigt ein Experiment in New York: Schüler der "Hostos-Lincoln Academy" in der bettelarmen und von hoher Kriminalität geplagten South Bronx beginnen ihre High-School-Jahre unter denkbar schlechten Voraussetzungen. Sie stammen durchweg aus zerrütteten Familien - viele leben mit drogensüchtigen oder aidskranken Müttern - und müssen normale Schulen nach der achten Klasse meist wegen schwacher Leistungen verlassen. An der "Academy" aber fördern Lehrer solche vermeintlichen "drop-outs" - durchweg Schwarze und Latinos - in kleinen Klassen mittels anspruchsvol er Lehrpläne und geben ihnen nachmittags bei Problemen einzeln Nachhilfe-Unterricht. "Vielen ersetzt die Schule ihr kaputtes Zuhause", sagt Direktor Michele Cataldi, der die Academy vor zehn Jahren gegründet hat. Die Frucht der Mühen: 1993 haben knapp 70 Prozent die Ausbildung abgeschlossen und sich für ein Col ege-Studium qualifiziert - rund doppelt so viele wie der Durchschnitt an normalen staatlichen Schulen New Yorks, weiße Bezirke inbegriffen. Um so mehr deprimiert es Cataldi, der in einem weißen Vorort wohnt, wenn seine Nachbarn ihn fragen: "Wie geht's den Tieren bei euch?" Cataldis Erfolg in der Bronx ist keine Ausnahme. Eine Vergleichsstudie an 820 amerikanischen High-Schools ergab, dass Zehntklässler, die nach den Prinzipien der Hostos-Lincoln Academy gefördert worden waren, in Mathematik um 30 Prozent und im Lesen um 24 Prozent bessere Durchschnitts-Noten erreichten. Trotzdem behaupten die Bel -Curve-Autoren, solche Projekte hätten kaum etwas gebracht. Sie ignorieren die tatsächlichen Verhältnisse ähnlich konsequent wie ihr zweiter Kronzeuge, der Ire Richard Lynn. Der wertete elf in Schwarzafrika durchgeführte IQ-Tests neu aus und kam auf einen Durchschnitts-IQ von 70. Demnach wäre jeder zweite Afrikaner schwachsinnig. Den Umstand, dass der Leiter des angeblich besten der IQ-
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Tests die Schwarzen mit Gesten anweisen musste, weil er deren Sprache nicht beherrschte, nahm Lynn einfach nicht zur Kenntnis. Der seltsamste Bel -Curve-Gewährsmann ist freilich J. Philippe Rushton von der kanadischen University of Western Ontario, vom Pioneer Fund mit mindestens 770.000 Dol ar bedacht. In seinen zahlreichen Publikationen vertritt der Psychologe die These, die Menschheit bestehe aus drei Grundrassen - Schwarzen, Weißen und Asiaten -, deren Durchschnitts-IQ in dieser Reihenfolge zunehme; wobei Schwarze nicht nur besonders dumm, aggressiv und kriminel seien, sondern auch am meisten auf Sex aus. Ich treffe Rushton in der Cafeteria eines Bostoner Hotels. Glattrasiert, in dunklem Anzug und rotem Hemd, wirkt der 52-jährige wesentlich weltgewandter, als seine Theorien vermuten lassen. Bei Kaffee und Bagel-Kringeln begründet er die angebliche Sexversessenheit der Schwarzen mit deren Fortpflanzungsstrategie: Im heißen Klima Afrikas würden sie Massen von Nachwuchs in die Welt setzen, von denen ein Großteil sterbe. "Ihnen geht es mehr um Geschlechtsverkehr als um Aufzucht." Weiße und Asiaten hingegen müssten sich im widrigen nordischen Klima auf wenige Kinder beschränken und versuchen, diese mit großer Fürsorge und weitreichender Vorausplanung durch die kalten Winter zu bringen. Rushton nennt dies: evolutionären Druck zu höherer Intel igenz. Zwei Tische weiter hat eine junge Schwarze Platz genommen. Rushton senkt nur unwesentlich die Stimme: "Deshalb haben Schwarze auch die kleinsten Hirne und die größten Penisse. In meinem neuen Buch gibt es sogar eine Penis-Glockenkurve." Die Theorie unterschiedlicher Reproduktions-Strategien, auf die sich Rushton bezieht, haben Biologen bereits in den sechziger Jahren formuliert. Sie erlaubt jedoch ausschließlich den Vergleich von Tierarten. "Auf den Menschen ist sie absolut nicht übertragbar", betont der Stanford-Biologe Mark Feldman. Doch Rushton sucht weiter nach Belegen. In Einkaufszentren befragte er Weiße, Asiaten und Schwarze nach deren Sex-Gewohnheiten. Daten des Kinsey-Reports aus den vierziger Jahren sol ten seine Theorien über Penisgrößen belegen. Anhand der Helmgrößen von 6325 US-Rekruten berechnete er darüber hinaus deren Gehirnvolumen und kam auf durchschnittlich 1359, 1380 und 1416 Kubikzentimeter bei Schwarzen, Weißen und Asiaten - ein scheinbarer Beweis seiner Thesen. Aber, wende ich ein, haben Frauen nicht bei gleicher Intel igenz ein im Schnitt um 100 Kubikzentimeter kleineres Gehirn? "Wahrscheinlich sind bei ihnen die Neuronen dichter gepackt", entgegnet Rushton, ohne mit der Wimper zu zucken. Mit seiner sanften, immer freundlichen Stimme unterstreicht der Psychologe seinen Anspruch, zum wissenschaftlichen "Mainstream" zu gehören. Die aufgesetzte Sachlichkeit hat System. In Diskussionen bringt er seine Widersacher damit regelmäßig zur Weißglut: "Mir geht es nur um die Fakten. Aber meine Gegner reagieren emotional völ ig überhitzt. Wenn ich ihnen sagen würde, o. k., lass uns 1000 Dol ar auf den Tisch legen und wetten: Wir gehen ins nächste Krankenhaus und wiegen die Gehirne der letzten hundert schwarzen und weißen Bostoner Verkehrsopfer, lass uns sehen, ob es den von mir behaupteten 100-Gramm-Unterschied wirklich gibt - dann würden meine Gegner rot und weiß anlaufen. Sie würden mich erschießen. Die sind nämlich die wirklichen Extremisten!"
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Trotz seiner krausen Theorien avancierte Rushton zum "Fel ow" der renommierten John Simon Guggenheim Foundation sowie der Psychological Associations in Kanada, England und den USA. Die Genetiker selbst begegnen dem Thema Intel igenz, Rasse und Vererbung mit großer Vorsicht. "Es gibt keine biologisch-genetischen Gründe für die Annahme, dass sich Menschen schwarzer und weißer Hautfarbe in ihrem intel ektuel en Vermögen von vornherein unterscheiden", sagt Eberhard Passarge, Präsident der Deutschen Gesel schaft für Humangenetik. Statt mit der Suche nach "Intel igenz-Genen" beschäftigen sich Genetiker lieber mit dringlicher zu erforschenden Merkmalen wie erblichen Krankheiten. Einigermaßen klar sehen sie nur bei Malaisen, die durch ein einziges defektes Gen - das menschliche Erbgut enthält rund 25000 [Zahl aktualisiert, Stand 2013] - hervorgerufen werden. Solche "monogenen" Krankheiten wie Chorea-Huntington, Sichelzel -Anämie oder Zystische Fibrose folgen gleichsam den Gesetzen der Computerlogik: Die Kinder betroffener Eltern erben die Defekte meist ganz oder nicht. Bei den häufigeren "polygenen" oder "komplexen" Erbkrankheiten - ausgelöst durch mehrere bis viele Gene - sind indes die Symptome weit weniger vorhersehbar. Und da Gene und Umwelt in komplizierter Weise wechselwirken, ist es "sehr schwierig, im Extremfal unmöglich, den relativen Beitrag von Erbe und Umwelt zu bestimmen", sagt der Bonner Humangenetiker Peter Propping, Vizepräsident der Deutschen Gesel schaft für Neurogenetik. "Vieles bleibt zufäl ig, etwa die Lage eines Kindes im Uterus." Zu diesen komplexen Anlagen - "genetische Prädispositionen" genannt - zählt vermutlich auch die Intel igenz. Prozentangaben über den Anteil, den Erbe und Milieu an ihr haben, sind reine Spekulation. Das werden sie selbst dann bleiben, wenn tatsächlich Intel igenz-Gene gefunden werden sol ten. Propping: "Sogar bei manchen monogenen Erbkrankheiten, deren Gen man bereits kennt, wurden in jüngster Zeit überraschende Variationen in der Schwere der Krankheit beobachtet. Die Genträger zeigten höchst unterschiedliche Symptome. Die Gründe verstehen wir noch nicht genau." Doch mit derart subtilen Unterscheidungen halten sich Rassisten und Vererbungsapostel nicht auf. Kühn werfen sie Ein-Gen- und Mehr-Gen-Anlagen in einen Topf. Und bisweilen neigen selbst Genetiker zu voreiligen Schlüssen. In den letzten Jahren sorgten sie mit Meldungen über ein Alkoholismus- oder Homosexualitäts-Gen für Furore. Andere wol ten Gene für Untreue und Alzheimer, Herzinfarkt, Schizophrenie oder manische Depression gefunden haben und eroberten damit die Titelseiten großer US-Magazine. Doch Kontrol -Teams konnten die Ergebnisse, meist an zu wenigen Personen ermittelt und im harten Wettbewerb al zu schnel veröffentlicht, nicht bestätigen. So mussten jene "Forscher" ihre Arbeiten schließlich zurückziehen. Für die Medien sind diese Widerlegungen aber kein Thema mehr. Sie hatten ihre Sensation und waren's zufrieden. So konnte die Vorstel ung von al umfassender Prägung des Menschen durch Vererbung ungetrübt im öffentlichen Bewusstsein überleben. Besonders problematisch sind genetische Vergleiche zwischen Bevölkerungsgruppen. Denn als Anthropologen im 18. Jahrhundert die Menschen in Rassen aufteilten, orientierten sie sich an Merkmalen wie Hautfarbe und Körperbau. Die al erdings decken sich nicht mit modernen genetischen Kriterien: Ein Team um den Genetiker Luigi Luca
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Caval i-Sforza von der kalifornischen Stanford University hat in 14jähriger Kleinarbeit die wissenschaftliche Literatur über Blutanalysen an weltweit 3400 Orten ausgewertet und die globalen "Verwandtschaftsbeziehungen" der Bevölkerungen rekonstruiert - anhand einer Vielzahl unterschiedlicher Marker wie Blutgruppe, Antikörper und Antigene. Damit nicht Migrationen in jüngerer Zeit das Bild verfälschten, wurden ausschließlich Daten indigener Bevölkerungsgruppen berücksichtigt, die bereits vor 500 Jahren an ihrem gegenwärtigen Aufenthaltsort ansässig waren. 1994 legten die Forscher den ersten "genetischen Weltatlas" vor. Die größten Gen-Unterschiede fanden sie zwischen Schwarzafrikanern und australischen Aborigines, die wegen ihrer dunklen Hautfarbe bislang als verwandte Rassen galten. Dennoch, resümiert Caval i-Sforza, sind Bevölkerungsgruppen genetisch im Schnitt "viel ähnlicher als zwei Individuen, auch innerhalb einer Gruppe". Zwei beliebige, nicht miteinander verwandte Menschen unterscheiden sich in etwa zwei von tausend Genen; und nur sechs Prozent dieser "Varianz" ist rassisch bedingt. Deshalb kann für einen Empfänger von Transplantations-Organen ein Organspender anderer Hautfarbe besser geeignet sein als einer der eigenen. Wer die Menschheit nach einzelnen genetischen Merkmalen in Rassen aufteilen wol te, verwickelte sich leicht in Widersprüche: Das Gen für Sichelzel -Anämie etwa teilen sich Schwarze aus den Tropengebieten Afrikas mit Südindern. Deutsche und die pechschwarzen südafrikanischen Xhosa haben es nicht. Das der Verdauung von Milchzucker dienende Enzym Lactase findet sich unter Erwachsenen nur in Bevölkerungen, die schon seit Jahrtausenden Tiermilch trinken: bei den meisten Europäern, Arabern und Nordindern; viel seltener haben es Schwarzafrikaner, Südinder, Ostasiaten und Indianer. Differenziert man nach der Form der Fingerabdrücke, gehörten die meisten Europäer und Schwarzafrikaner in eine Rasse. Ebenso "unscharf" ist das klassische Kriterium Hautfarbe: Al e Menschen auf der Welt - Weiße inbegriffen - haben im Prinzip ausreichend Pigmente, um die Haut völ ig schwarz zu färben. Unterschiedlich ist im wesentlichen die genetisch gesteuerte Aktivierung des Enzyms Tyrosinase, das in einem komplizierten Prozess diese Farbstoffe erzeugt. Albinos fehlt - wegen eines Erbdefekts - die Tyrosinase überhaupt. Sind sie deshalb eine eigene Rasse? Caval i-Sforza ist überzeugt: "Hautfarbe reicht nicht tiefer als die Haut selbst."
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Links und Aktualisierungen:
Pioneer Fund, New York: http://en.wikipedia.org/wiki/Pioneer_Fund John Phillipe Rushton, der ehemalige Direktor des Pioneer Funds, ist am 2. Oktober 2012 verstorben: http://de.wikipedia.org/wiki/John_Philippe_Rushton Im August 2012 übertrug Rushton die Hälfte des Anlagevermögens des Pioneer Funds an das Charles Darwin Research Institute, dem er ebenfal s als Direktor vorstand. Gleichzeitig trat er als Direktor des Pioneer Funds zurück und ernannte Richard Lynn zu seinem Nachfolger. Die Leitung des Charles Darwin Research Institutes überließ Rushton seinem Sohn Stephen Rushton - in der Erwartung, dass dieser dort ähnlich rassistische Forschungsvorhaben fördert wie zuvor der Pioneer Fund. Stephen Rushton hat in der Folgezeit die Vermögenswerte des Charles Darwin Research Institute an die JSP Education Foundation übertragen (JSP steht für John Stephen Phil ipe - eine Mischung der Vornamen von Vater und Sohn). Quel e: www.thepioneerfund.org Rezension des Buches "The Bell Curve" (1994) von Stephen Jay Gould: https://www.dartmouth.edu/~chance/course/topics/curvebal .html Thilo Sarrazin hat sich bei der Konzeption von "Deutschland schafft sich ab" (2010) stark am US-Bestsel er "The Bel Curve" orientiert und zitiert in seinem Buch auch Pioneer-Fund-Forscher: www.von-galton-zu-sarrazin.de/inhalt/01-sesin.htm
Migraine is a central nervous system disorder that is characterized by moderate orsevere headaches that last 4 to 72 hours. The attacks are often aggravated by routinephysical activity and may be associated with a variety of other symptoms, includingphotophobia, phonophobia, osmophobia, nausea, or vomiting. Approximately 15%of patients experience attacks of migraine with aura. The typical aura con