Deutsch-Österreichische Empfehlungen zur HIV-Postexpositionsprophylaxe (Stand Januar 2008 – Kurzfassung) An die Möglichkeit einer medikamentösen HIV-Postexpositionsprophylaxe (HIV-PEP) sollte gedacht werden bei o Verletzung mit HIV-kontaminierten Instrumenten bzw. Injektionsbestecken, o Benetzung offener Wunden und Schleimhäute mit HIV-kontaminierten Flüssigkeiten, o ungeschütztem Geschlechtsverkehr mit einer (vermutlich) HIV-infizierten Person, o
Gebrauch von (vermutlich) HIV- kontaminiertem Injektionsbesteck
Die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung hängt vor allem von der übertragenen Erregermenge ab. Die statistische Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung liegt in den am häufigsten vorkommenden Situationen (Verletzung an kontaminierten Instrumenten, ungeschützter Geschlechtsverkehr mit bekannt infizierter Person, Benutzung kontaminierten Injektionsbestecks) in vergleichbaren Größenordnungen zwischen 1 Infektion pro 100 Kontakten und 1 Infektion pro 1000 Kontakten oder Expositionen. Übertragungen sind möglich vor allem durch Blut, Sperma und Vaginalsekret. Grundsätzlich gilt, je länger die Verweildauer infektiöser Flüssigkeiten auf Wunden, geschädigter Haut oder auf Schleimhäuten ist, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung. Eine so rasch wie möglich eingeleitete HIV-PEP nach akzidentellen Verletzungen mit kontaminierten Instrumenten oder nach Wund- oder Schleimhautkontamination mit HIV-haltigen (Körper-)Flüssigkeiten kann das Infektionsrisiko senken. Die prophylaktische Behandlung wird im Regelfall über einen Zeitraum von 28 Tagen durchgeführt. Da die zur PEP eingesetzten Medikamente für diese Indikation nicht zugelassen sind, bedarf die Durchführung einer HIV-PEP der ausdrücklichen Zustimmung und ausführlichen Aufklärung des Betroffenen. Ein Erfolg der Prophylaxe lässt sich nicht garantieren. Mögliche Nachteile einer HIV-PEP betreffen hauptsächlich die Verträglichkeit der Medikamente. Im Vordergrund stehen hierbei zunächst akute Nebenwirkungen während der ersten zwei Wochen der Einnahme (meist gastrointestinale Nebenwirkungen, Übelkeit), die jedoch in der Regel dann abklingen oder nach Beendigung der Therapie reversibel sind. Voraussetzung für die ärztliche Empfehlung einer HIV-PEP ist grundsätzlich ein mit relevantem Übertragungsrisiko erfolgter mittelbarer oder unmittelbarer Kontakt zwischen einer HIV-negativen und einer HIV-infizierten Person (Indexperson). Bei unbekanntem HIV-Serostatus, bzw. wenn die klinische Diagnose einer HIV-Infektion nicht wahrscheinlich ist, sollten die Empfehlungen zurückhaltend gehandhabt werden (siehe auch PEP-Entscheidungsbaum). Zur Beurteilung des HIV-Expositionsrisikos und zur Abwägung des Nutzens und der Risiken einer HIV-PEP sollte ein in der HIV-Therapie erfahrener Arzt hinzugezogen werden. Dies kann auch nach einer vorläufigen, notfallmäßigen Einleitung einer HIV-PEP geschehen.
1 Die Kosten der HIV-PEP nach beruflicher Exposition werden durch die Träger der Gesetzlichen Unfall-versicherung übernommen.
Die im Jahre 2007 in Kraft getretene Schutzimpfungsrichtlinie legt die Grenzen der Erstattungsfähigkeit für eine HIV-PEP nach nicht-beruflicher Exposition fest. Nach §2 (2) gilt: „1. Die postexpositionelle Gabe von Sera und Chemotherapeutika ist nicht Gegenstand der Schutzimpfungsrichtlinie. 2. Ist die Behandlung eines Patienten mit diesen Arzneimitteln im Einzelfall notwendig, um eine absehbare Erkrankung zu verhüten, so ist nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 31 SGB V die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung gegeben. Konkret heißt das: Postexpositionsprophylaxen fallen nicht in den Geltungsbereich dieser Richtlinie. Allerdings besteht im Einzelfall eine Leistungspflicht der GKV. Diese Regelung ist neu und klärt den bislang unsicheren Versicherungsstatus bei der HIV-PEP, aber auch bei anderen Postexpositionsprophylaxen. Die HIV-PEP ist demnach keine regulär durchzuführende Präventionsmaßnahme. Handelt es sich aber um eine Notfallsituation bzw. einen Einzelfall gilt für die HIV-PEP (und auch für andere Notfall-PEP, z.B. Hepatitis B) nach Satz 2 nun die Leistungspflicht der Krankenkassen. Berufliche Exposition
Sofortmaßnahmen Nach jeder HIV-Exposition sollten zunächst die folgenden Sofortmaßnahmen unverzüglich (in Sekunden) in der nachfolgenden Reihenfolge eingeleitet werden (ggf. kann anschließend an die Sofortmaßnahmen telefonisch weiterer Rat eingeholt werden):
Kontamination von geschädigter Haut, Auge oder Mundhöhle
bzw. Anlegen eines antiseptischen Wirkstoffdepots
Entscheidung über systemische, medikamentöse Postexpositionsprophylaxe
Unfalldokumentation (D-Arzt/ Betriebsarzt)
Erster HIV-Antikörper-Test, Hepatitis-Serologie
* für Haut, Wunden: z.B. Ethanol-basierte Kombination mit PVP-Iod (Betaseptic®), AHD 2000® oder Amphisept E® Lösung, 1:1 verdünnt. Für Auge und Mundhöhle: Wasser, Ringer- oder Kochsalzlösung
Indikation zur HIV-PEP bei beruflicher HIV-Exposition
¾ Perkutane Verletzung mit Injektionsnadel oder anderer
Hohlraumnadel (Körperflüssigkeit mit hoher Viruskonzentration: Blut, Liquor, Punktatmaterial, Organmaterial, Viruskulturmaterial)
¾ Tiefe Verletzung (meist Schnittverletzung), sichtbares Blut
¾ Oberflächliche Verletzung (z. B. mit chirurgischer Nadel)
¾ ggf. Ausnahme, falls Indexpatient AIDS oder eine hohe HI-
¾ Kontakt von Schleimhaut oder verletzter/geschädigter Haut mit
¾ Kontakt von intakter Haut mit Blut (auch bei hoher
¾ Haut- oder Schleimhautkontakt mit Körperflüssigkeiten wie Urin und
¾ Perkutaner Kontakt mit anderen Körperflüssigkeiten als Blut
Nicht-berufliche Exposition
Sofortmaßnahmen Nach einer möglichen HIV-Exposition auf sexuellem Wege (z.B. Kondom gerissen, kein Kondom verwendet) sollte, soweit möglich und so schnell wie möglich, potentiell infektiöse Körperflüssigkeit von der Schleimhaut abgespült werden. Nach einer Exposition bei ein-dringendem Geschlechtsverkehr sollte der Penis unter fließendem Wasser mit Seife gewaschen werden. Dazu die Vorhaut zurückziehen und Eichel sowie Innenseite der Vorhaut reinigen. Eine Scheiden- oder Darmspülung nach einer Exposition bei rezeptivem Geschlechtsverkehr kann wegen der unklaren Datenlage dagegen nicht empfohlen werden. Nach der Aufnahme von Samenflüssigkeit in den Mund empfiehlt es sich, diese möglichst umgehend und vollständig auszuspeien. Danach sollte die Mundhöhle vier- bis fünfmal kurz (etwa 15 Sek.) mit Wasser gespült werden. Nach Durchführung dieser Sofortmaßnahmen möglichst unverzüglich Konsultation einer Schwerpunktpraxis/ Klinikambulanz. Nach Untersuchung und Beratung ggf. Beginn einer medikamentösen Postexpositionsprophylaxe. HIV-Antikörpertest , Hepatitisserologie, ggf. Untersuchung auf weitere STDs.
Indikation zur HIV-PEP nach sexueller und anderer HIV-Exposition
¾ Transfusion von HIV-haltigen Blutkonserven oder
Erhalt von mit hoher Wahrscheinlichkeit HIV-haltigen Blutprodukten oder Organen
¾ Ungeschützter insertiver oder rezeptiver vaginaler
oder analer Geschlechtsverkehr (z.B. infolge eines
geplatzten Kondoms) mit einer HIV-infizierten Person
unter stabiler HAART (VL<50 Kopien seit mind. 6 Monaten)
Injektionsbestecks durch ⇒ dringend empfehlen
mehrere Drogengebrauchende gemeinsam oder nacheinander
¾ ungeschützter oraler Geschlechtsverkehr mit der
Aufnahme von Sperma des HIV-infizierten Partners in
Risikofaktoren anbieten - z.B. Verletzungen im Mund, Ulzera
¾ Küssen und andere Sexualpraktiken ohne Sperma-
/Blut-Schleimhautkontakte sowie S/M-Praktiken ohne Blut-zu-Blut-Kontakte
¾ Verletzung an gebrauchtem Spritzenbesteck zur
Injektion von Drogen, Medikamenten oder Insulin
Falls der HIV-Status der potentiellen Infektionsquelle nicht bekannt ist und auch nicht kurzfristig geklärt werden kann, sollte eine medikamentöse PEP bei einem übertragungs-relevanten Kontakt dann erfolgen, wenn die Personengruppe, aus der die Indexperson stammt, eine HIV-Prävalenz in einer Größenordnung ab ca. 10% oder mehr aufweist (siehe auch PEP-Entscheidungsbaum). Eine Stichverletzung an einer herumliegenden Injektionsnadel (z.B. bei spielenden Kindern) ist in der Regel keine Indikation zu einer medikamentösen HIV-PEP. Ebenso ist eine routinemäßige HIV-PEP nach Vergewaltigung bei der gegebenen epidemiologischen Situation in Deutschland nicht indiziert. Dies schließt nicht aus, dass besondere Umstände im Einzelfall für die Durchführung eine PEP sprechen können und eine sorgfältige Abklärung des HIV-Risikos erfolgen sollte.
Medikamentöse PEP Falls eine medikamentöse Postexpositionsprophylaxe indiziert ist, sollte so rasch wie möglich die erste Medikamentendosis eingenommen werden. In Zweifelsfällen kann auch zunächst notfallmäßig mit der Medikamenteneinnahme begonnen werden. Ein Abbruch der Prophylaxe, falls bei näherer Kenntnis des Unfallhergangs oder der Umstände eine solche unnötig erscheint, ist zu jedem Zeitpunkt möglich. Ansonsten beträgt die empfohlene Dauer der Prophylaxe 28 Tage. Sofern bei der potentiellen Infektionsquelle die Behandlungsanamnese oder bestehende Medikamentenresistenzen bekannt sind, sollte die zur PEP verwendete Medikamenten- kombination (durch einen hinzugezogenen Experten) entsprechend angepasst werden. In allen anderen Fällen kann eine der in der nachfolgenden Tabelle aufgeführten Standard- Kombinationen verwendet werden. Standard - Kombinationen zur HIV-PEP°*
(Truvada ® 1x 300/200mg) Vorteil: rascher
° falls Standard-Medikamente nicht verfügbar sind, können auch andere zur HIV-Therapie zugelassene Medikamente eingesetzt werden – Abacavir (Ziagen®) und Nevirapin (Viramune®) sollten jedoch wegen der Möglichkeit akuter schwerer Nebenwirkungen nur in gut begründeten Ausnahmefällen für eine PEP eingesetzt werden. Experten sollten zu Rate gezogen werden, wenn einer der folgenden Punkte zutrifft: • Der Zeitraum zwischen möglicher Exposition und Beginn einer Prophylaxe ist länger als
• Art und Infektionsgefährdung durch das verursachende Instrument der akzidentellen
• Die exponierte Person ist (vermutlich) schwanger
• Die Index-Person wurde lange antiretroviral vorbehandelt und eine Resistenz der Viren
• Erhebliche unerwünschte Wirkungen des initialen Prophylaxeregimes stellen eine
Durchführung dieser Prophylaxe in Frage oder machen eine Umstellung erforderlich
2 Sofern vor Ort kein Rat von ausgewiesenen Experten eingeholt werden kann oder diese nicht bekannt sind, kann hierfür auch – allerdings nur während der üblichen Arbeitszeiten (Mo. – Fr. ca. 9.00 – 17.00) das RKI (Tel: 030/18754 3467 oder -3420) in Anspruch genommen werden, über das auch eine Vermittlung an Experten in der Nähe erfolgen kann. Außerhalb der Dienstzeiten kann über die Infektionsepidemiologische Rufbereitschaft Rat eingeholt werden (Tel: 030/18754-0) Eine ad-hoc Telefonberatung für Notsituationen (Screening- und ggf. Verweis-Funktion an mögliche Behandler, nicht jedoch Indikationsstellung und/oder medizinische Interventionsberatung) bietet auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) mit Beratungszeiten täglich ab 10 Uhr, Mo-Do bis 22 Uhr, Fr-So bis 18 Uhr (Tel: 0221/ 892031). Die Deutsche AIDS-Hilfe bietet auf der Homepage des HIVReport () eine Liste der Kliniken, die 24 Stunden am Tag eine Beratung zur HIV-PEP durchführen können (Selbstauskunft der Kliniken und Testanrufe). Auf der Homepage der österreichischen) findet sich ebenfalls eine Liste der österreichischen HIV-Behandlungszentren, die bei Fragen zur HIV-PEP kontaktiert werden können.
Empfohlene Basis- und Kontrolluntersuchungen
° falls Person bekannt, aber Infektionsstatus unklar, Einwilligung erforderlich, ggf. Einsatz eines Schnelltestes * falls indiziert/ falls Exposition vorlag ** Kontrollen, falls gleichzeitig eine HCV-Exposition vorlag 1 Behandlungsanamnese mit antiretroviralen Medikamenten (Abschätzung der Resistenzsituation) 2 Einnahme anderer Medikamente? (cave! Wechselwirkungen) Verträglichkeit der PEP?
Entscheidungsbaum für PEP-Indikation bei beruflicher Exposition und unbekanntem HIV-Status der potentiellen Infektionsquelle
War die Art der Exposition geeignet, evtl HIV-kontaminiertes Material zu inokulieren?
Besteht ein konkretes Risiko, dass unter den in der
Einrichtung betreuten Personen eine Person mit HIV-
Infektion war und dass das inokulierte Material von
Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsgruppe
Entscheidungsbaum für PEP-Indikation bei nicht-beruflicher Exposition und unbekanntem HIV-Status der potentiellen Infektionsquelle
Infektionsträchtige Verletzung an einem mit frischem Blut kontaminierten Gegenstand oder ist Blut/ Sperma/ Vaginalsekret auf eine genitale Schleimhaut oder ins Auge gelangt oder kam es zu einem ungeschützten Kontakt zwischen Penis- und Darmschleimhaut?
Handelt es sich um eine Person aus einer Gruppe mit erhöhter HIV-Prävalenz* (in Deutschland: Männer,
und/oder Infektionsrisiken, falls möglich HIV-
die Sex mit Männern haben, Personen, die aus sog. Hochprävalenzregionen stammen, v. a. aus Subsahara-
Afrika, intravenöse Drogenkonsumenten)?
Ggf. PEP beginnen und bei negativem Testergebnis der potentiellen Infektionsquelle wieder abbrechen;
Sonst individuelle Risikoabwägung wie bei unbekanntem Partner
*HIV-Prävalenzen bei MSM in Deutschland: Großstädte ca. 10%, ländliche Regionen und Städte < 200.000 Einw. unter 5%
HIV-Prävalenzen bei IVD in Deutschland: unter 5%
HIV-Prävalenzen in der Allgemeinbevölkerung in Subsahara-Afrika: südliches Afrika > 10%; Ostafrika 5-10%; Westafrika 1-5%
HIV-Prävalenzen in der Allgemeinbevölkerung in Südostasien (Myanmar, Thailand, Kambodscha; Papua-Neuguinea) und der Karibik: 1-5%
HIV-Prävalenzen in der Allgemeinbevölkerung in Osteuropa (Ukraine, Rußland, Weißrußland, Estland): 1-2% (bei IVD ca. 30%)
Bei einer vermuteten HIV-Prävalenz >=10% in der Population, zu der der Indexpartner gehört oder in dem Setting, in dem die Exposition erfolgte, ist eine medikamentöse HIV-PEP generell noch gerechtfertigt, bei einer Prävalenz <5% in der Regel nicht. Bei sexueller Exposition und unbekanntem HIV-Status des Partners sollten die Umstände des Expositionsereignisses bei der PEP-Indikationsstellung mit bedacht werden: in Settings, in denen Sexualkontakte häufig mit anonymen oder weitgehend unbekannten Partnern stattfinden, muss mit einem im Vergleich zur durchschnittlichen Prävalenz höheren Anteil HIV-infizierter, insbesondere auch frisch infizierter und nicht ART-behandelter Partner mit STI-Koinfektionen gerechnet werden, bei denen die Übertragungswahrscheinlichkeit bei einem ungeschützten expositionsrelevanten Kontakt um das 20- bis 100-fache höher sein kann als die in der Literatur angegebenen Werte von 1:1.000 bis 1:10.000 für einen einmaligen ungeschützten (heterosexuellen) Geschlechtsverkehr mit einem nicht-therapierten, symptomfreien HIV-infizierten Partner in der klinischen Latenzphase.
GUIDELINES FOR THE MANAGEMENT OF LOWER RESPIRATORY TRACT INFECTIONS Mark Woodhead , Francesco Blasi , Santiago Ewig , Gerard Huchon , Margareta Ieven , Ake Ortqvist , Tom Schaberg , Antoni Torres , Geert van der Heijden Theo J. M. Verheij ERS Task Force in Collaboration with ESCMID • Supplemental Information: Appendices 1-3 – Epidemiology , microbiology,risk factors
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